Hebammensystem in Deutschland / Interview mit Hebamme Johanna / Häufigsten Fragen von Schwangeren

Hebamme Midwife

Was macht eine Hebamme eigentlich genau? Machen alle Hebammen das Gleiche? Wie sieht die Betreuung aus? Wie komme ich an eine nette Hebamme? Und wieso muss ich mich so früh um eine Hebamme kümmern? Fragen über Fragen, die ich selbst teilweise hatte und die mir von schwangeren Freundinnen und Bekannten oft gestellt wurden, seit ich selbst Mutter bin. Denn bevor man diesen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hält, haben die meisten sich nie mit dem Thema auseinander gesetzt. Warum auch?

Seit ich selbst das erste Mal schwanger war, habe ich immer mehr Respekt und Bewunderung für den Beruf der Hebamme und finde es ist einer der schönsten Berufe, die man ausüben kann (wenn man sich dazu berufen fühlt :)). Ich selbst finde, dass eine gute Hebamme während der Schwangerschaft, aber vor allem während der Geburt und im Wochenbett total wichtig ist. Sie kann zu einer der wichtigsten Bezugspersonen in dieser Zeit werden und Unterstützung in vielen Dingen leisten, die man von niemand anderem in dieser Form bekommen kann.

Vor Kurzem hat mich ein Freund gebeten, seiner Frau das Hebammensystem in Deutschland beim Mittagessen einmal zu erklären. Das habe ich sehr gerne nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Als ich ein paar anderen (noch) kinderlosen Freundinnen von diesem Lunch erzählt habe, meinten sie, dass das total interessant ist und ich doch einen Blogpost darüber schreiben soll. Gesagt getan, aber noch viel besser als ich, kann dies natürlich eine erfahrene Hebamme erklären. Daher habe ich eine meiner besten Freundinnen (schon seit der Grundschule) – und glücklicherweise eine super Hebamme – zum Interview gebeten.

Liebe Johanna, stell dich doch bitte einmal kurz vor.

Ich lebe mit meinem Mann und unseren 2 Kindern in Köln. Meine Tochter ist fast 2 Jahre alt und mein Sohn ist 4. Seit 2010 arbeite ich als Hebamme und habe 2007 meine Hebammenausbildung in Bochum gemacht. Nach der Ausbildung habe ich mein Arbeitsleben als angestellte Hebamme in der Uniklinik Köln gestartet. Ich arbeite nicht freiberuflich, habe im Laufe meiner Zeit als Hebamme aber zwischendurch zusätzlich ein paar Geburtsvorbereitungskurse für Zwillingseltern gegeben. Als ich dann mit unserem Sohn schwanger wurde, habe ich aber nur noch in der Klinik gearbeitet, weil die zusätzlichen Kurse zu viel Zeit verschlungen haben.

Warum hast du dich damals dazu entschieden eine Ausbildung zur Hebamme zu machen?

Nach dem Abi wusste ich überhaupt nicht, was ich machen wollte. Mir war aber klar, dass ich nicht einfach irgendwas studieren wollte. Daher habe ich nach der Schule erst einmal ein Praktikum im Kreißsaal gemacht. Die Mutter einer Freundin hat mir dieses vermittelt und da habe ich das erste Mal Geburten gesehen und was im Kreißsaal so passiert. Dort wurde mir ganz schnell klar, dass ich Hebamme werden wollte. Einfach weil ich total begeistert und beeindruckt von der Geburt an sich war und davon was eine Hebamme macht, wie sie praktisch alles selbstständig leitet und den Frauen hilft.

Zudem wurde mir auch bewusst, dass ich nicht Gynäkologin/Geburtshelferin werden wollte. Der Unterschied zur Hebamme besteht nämlich darin, dass du die Frau bei der Geburt nicht begleitest, sondern nur bei Auffälligkeiten oder am Ende, wenn das Kind kommt, dazu gerufen wirst. Das fand ich sehr unbefriedigend. Ich wollte lieber den kompletten Verlauf miterleben und die Frauen dabei begleiten.

Wie sieht die Ausbildung einer Hebamme in Deutschland genau aus?

Zur Zeit gibt es noch Hebammenschulen. Es ist somit eine schulische Ausbildung, vergleichbar mit einer Ausbildung zur Krankenschwester (beide sind aber ganz unabhängig von einander). In vielen, deutschen Städten gibt es solche Schulen, die parallel mit Krankenhäusern zusammen arbeiten. Dies geschieht meistens im Block System – bedeutet man hat z.B. 3 (oder auch 6) Wochen Schule und dann geht man 3 (bzw. 6) Wochen in die Klinik. Dies ist aber von Schule zu Schule ganz individuell geregelt.

Die Ausbildung dauert drei Jahre. Dazwischen hat man immer wieder Prüfungen in den verschiedenen Fächern. Man bekommt Schulnoten und am Ende schließt man die Ausbildung mit einem staatlichen Examen ab. Dieses wird von einem bestimmten Gremium, welches in der jeweiligen Stadt zuständig ist, und vom Gesundheitsamt abgenommen. Ähnlich wie in einer Abiturprüfung gibt es einen schriftlichen und einen mündlichen Teil. Darüber hinaus gibt es noch einen praktischen Teil. Jeder einzelne Part wird benotet, welches zusammen dann die Gesamtnote bildet.

Seit einigen Jahren gibt es zusätzlich Hochschulen an denen der Studiengang Bachelor of Midwifery angeboten wird. Mittelfristig wird es weiterhin beide Optionen geben, also Hebammenschule und Studiengang. Langfristig soll diese „Ausbildung“ jedoch an die Hochschulen ausgelagert werden.

Was hat man für Möglichkeiten nach der Ausbildung? Denn nicht alle Hebammen arbeiten im Krankenhaus, oder?

Nach der Ausbildung hat man verschiedene Optionen als Hebamme ins Berufsleben zu starten. Man kann klassisch als angestellte Hebamme im Krankenhaus anfangen, aber es ist auch von Anfang an möglich freiberuflich zu arbeiten. Oder beides auch zu kombinieren, z.B. man arbeitet Teilzeit im Krankenhaus und gibt zusätzlich noch Kurse in einer unabhängigen Hebammenpraxis. Es gibt aber noch wesentlich mehr Optionen (z.B. auch Geburtshaus) und individuelle Modelle.

Welche Arten von Hebammen gibt es eigentlich?

Wie eben schon kurz erwähnt gibt es verschiedene Berufsausübungsmodelle. Dies bedeutet es gibt zum einen angestellte Hebammen in der Klinik (Arbeitgeber), welche dann z.b. im Kreißsaal oder auf der Wochenbettstation arbeiten. Zum anderen gibt es Hebammen, die sowohl angestellt in der Klinik arbeiten, als auch freiberuflich außerklinisch. Sie geben z.B. außerklinisch Kurse und machen Vor- und Nachsorgen.

Dann gibt es Hebammen, die ausschließlich freiberuflich arbeiten. Und auch hier gibt es verschiedene Modelle. Da wären z.B. die Hebammen, die Hausgeburtshilfe leisten, sowie vor- und nachversorgen – also die komplette freiberufliche Geburtshilfe machen. Zudem gibt es Hebammen, die Beleggeburten machen. Diese Hebammen machen Vor- und Nachsorge und haben einen Vertrag mit einer bestimmten Klinik (oder auch mehreren) und machen die Geburtshilfe dort, wo sie dann an die Gegebenheiten in der Klinik gebunden sind. Bei diesem Modell wird die Frau auch von Anfang (Vorsorge) bis Ende (Wochenbettbetreuung) inkl. der Geburt von einer einzigen (Beleg)Hebamme betreut. 

Zudem gibt es noch eine sehr spezielle Art von Hebamme: Die Familienhebamme. Diese ist bei der Stadt oder beim Land angestellt und arbeitet mit dem Gesundheits- und Jugendamt zusammen. Sie betreut Familien, die soziale Schwierigkeiten haben und ist dann quasi eine Vermittlungsperson zwischen der Familie und dem Jugendamt. Und last but not least, gibt es Hebammen, die nicht in der Geburtshilfe tätig sind, sondern „nur“ außerklinisch in einer Praxis arbeiten. Sie machen Vor- und Nachsorgen und geben ggfs. Kurse oder bieten andere Dienstleistungen wie z.B. Akupunktur an.

Man kann als Hebamme also ganz individuell entscheiden (und im Laufe der Zeit auch immer wieder verändern), wie und in welchem Umfang man diesen Beruf ausüben möchte, so dass es am besten zur eigenen Lebensplanung passt.

Was machen Hebammen genau? 

Eine Hebamme ist Fachfrau/Expertin für Schwangerschaft und Geburt und auch für die Betreuung nach der Geburt zuständig. Sie kann die komplette Vorsorge in der Schwangerschaft übernehmen, sprich: Blutabnabnahmen, Abstriche, den Verlauf kontrollieren etc. das einzige was nur Arzt übernehmen kann sind Ultraschalluntersuchungen. Ansonsten ist eine Hebamme genauso qualifiziert und hat in den meisten Fällen sogar mehr Erfahrung und ein besseres Gefühl für die Betreuung der Schwangeren.

Außerdem betreut die Hebamme natürlich auch die Geburt selbstständig. Sie ist für die physiologische Geburt zuständig und verpflichtet einen Arzt hinzuzuziehen, wenn irgendwelche Regelwidrigkeiten auftreten. Ansonsten ist es in Deutschland Pflicht, dass umgekehrt jeder Arzt bei einer Geburt eine Hebamme hinzuziehen muss. Ärzte dürfen Geburten also nicht selbstständig durchführen – Hebammen jedoch schon, wenn alles ohne größere Komplikationen verläuft.

Dann betreut die Hebamme die Wöchnerin (Bezeichnung für die Frau nach der Geburt) auch nach Geburt, das heißt im sogenannten Wochenbett. Sie kontrolliert, ob alles in Ordnung ist, schaut ob das Baby gut gedeiht, ob die Rückbildung bei der Mutter gut verläuft und gibt selbstverständlich auch Stillhilfe. Aber auch bei allen Dingen, die die Wöchnerin in dieser Zeit bewegt. Und auch wenn es an die Beikost geht, kann man seine Hebamme nochmal kontaktieren und um Rat fragen. Insgesamt kann man seine Hebamme im ersten Lebensjahres des Kindes immer wieder bei Bedarf kontaktieren.

Hebammen können auch Leistungen anbieten, wie Geburtsvorbereitungskurse, Rückbildungskurse und Babymassage, aber auch noch zusätzliche Qualifikationen erwerben. Dazu gehören dann z.B. Dienstleistungen wie Yogakurse, Akupunktur, Homöopathie, Kinesio-Taping und noch vieles mehr.

Hebamme im Dienst
Johanna im Dienst in der Klinik.

Was genau sind die Unterschiede in der Betreuung der Schwangeren?

Die Betreuung der Hebamme richtet sich im Prinzip nach den Mutterschaftsrichtlinien. Diese sind für jedes Land festgelegt. Hebammen sind jedoch für weitaus mehr zuständig. Hebammen haben nämlich neben ihrer medizinischen Verantwortung, auch viele psychologische und soziale Aspekte, die sie ausüben. Das bedeutet, dass Hebammen in der Regel in jeder Vorsorge eine dreiviertel Stunde Zeit für die Schwangere haben. Dabei beantworten sie alle Fragen und leisten so praktisch in jeder Vorsorge Geburtsvorbereitung, indem sie über Geburt sprechen und sich ausreichend Zeit für alle Belange und Fragen, die die Frau hat, nehmen.

In der Geburtshilfe (also wenn die Hebamme für die Geburt zuständig ist) sieht die Betreuung so aus, dass die Hebamme die Bedürfnisse der Frau erfüllt und unterstützt. Sie beobachtet den Geburtsvorgang und ist dafür zuständig zu erkennen, ob irgendetwas nicht „regelrecht“ verläuft. Die Hebamme begleitet die Frau bei der Geburt und hilft ihr das Baby alleine auf die Welt zu bringen. Und sie unterstützt nur da, wo es tatsächlich nötig ist. Das allerwichtigste bei der Geburt ist nämlich Geduld und die Kunst liegt darin nichts zu tun. Das bedeutet nicht, nicht zu helfen, sondern nicht in den natürlichen Geburtsprozess einzugreifen, wenn es nicht nötig ist. Die Hebamme begleitet und beobachtet, welches oberste Priorität hat. Sie schreitet nur da ein, wo die Frau Unterstützung braucht.

Nach der Geburt (wie vorher schon beschrieben) ist sie dafür zuständig das Wochenbett zu überwachen und zu schauen, dass es Mutter und Kind gut geht. Sie kontrolliert z.B. ob die Gebärmutter sich gut zurückbildet. Sie achtet auf die Brust und schaut, dass das Stillen gut klappt. Wenn z.B. irgendwelche Entzündungen oder Milchstau auftreten, dann unterstützt sie dabei dies zu beheben. Und falls etwas wirklich Krankhaftes auftritt, überweist sie natürlich auch zum Arzt.

Braucht man überhaupt eine Hebamme? Man wird doch im Krankenhaus betreut.

Ich würde natürlich sagen selbstverständlich braucht man eine Hebamme. Aber klar, viele Frauen, die z.B. schon das zweite oder dritte Kind bekommen sind nicht mehr so stark auf ihre Hebamme angewiesen, wie beim ersten Kind. Trotzdem ist es natürlich nicht so, dass die Hebamme nur unerfahrenen Eltern hilft. Denn nach der Geburt sollten auch erfahrene Eltern die Untersuchungen für Mutter und Baby in Anspruch nehmen. So wird das Baby in regelmäßigen Abständen zu Hause gewogen um zu gucken, ob es genug zunimmt. Der Wochenfluss der Mutter wird beobachtet und ob sich die Gebärmutter richtig zurückbildet. Diese medizinischen Dinge kann man als Mutter selbst schwierig beurteilen.

Die meisten Eltern (speziell beim 1. Kind) haben sehr viele Fragen bzgl. Babyhandling, Neugeborenenversorgung generell, Schlaf etc.. Um dabei den Eltern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ist eine Hebamme unentbehrlich.

In der Vorsorge arbeiten nicht ganz so viele Hebammen und viele Schwangere machen die meisten Vorsorgeuntersuchungen bei ihrem Frauenarzt. Dies ist z.B. komplett anders in Schweden, wo alle Vorsorgeuntersuchungen von Hebammen durchgeführt werden und die Schwangeren nur bei Auffälligkeiten zum Arzt geschickt werden. In Deutschland finde ich sehr schade daran, dass ein Arzt in einer Praxis sich normalerweise nicht so viel Zeit für die Untersuchung und das Gespräch nehmen kann wie eine Hebamme. Denn der Arzt erhält eine Pauschale für die Schwangere und muss daher theoretisch so viele Schwangere wie möglich „abarbeiten“, damit es sich für ihn rentiert. Eine Hebamme übernimmt wesentlich mehr während der Vorsorge als nur die medizinischen Untersuchungen (wie Ultraschall und Blutentnahmen). Sie kümmert sich nämlich auch vor allem um die psychische Geburtsvorbereitung, was ich als extrem wichtig empfinde. Daher kann ich jeder Schwangeren nur empfehlen, eine Hebamme für die Vorsorge und Nachsorge in Anspruch zu nehmen.

Wo kann man überall entbinden? Was sind deiner Meinung nach Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen, speziell auf die Hebammenbetreuung bezogen?

Zurzeit kann man in Deutschland noch zu Hause, im Geburtshaus und in der Klinik entbinden. Bei einer Klinikgeburt ist man wie der Name schon sagt im Krankenhaus und der Arzt kommt während der Geburt hinzu. Leider ist es im Krankenhaus so, dass der Betreuungsschlüssel immer schlechter wird. Eine eins-zu-eins-Betreuung, sprich eine Hebamme für eine Frau, ist normalerweise in der Klinik nicht möglich. Im Kreißsaal ist immer mehr los und der klare Nachteil daran ist, dass die Hebamme nicht so viel Zeit für die Frau hat und nicht konstant bei ihr sein kann. Denn sie muss parallel noch andere Frauen betreuen. Eine Folge daraus ist z.B., dass manche Frauen eine PDA in Anspruch nehmen, obwohl sie eigentlich keine gebraucht hätten, wenn sie entsprechend betreut worden wären.

Der Vorteil hingegen an einer Klinikgeburt ist für viele Frauen die Sicherheit zu wissen, dass bei einem Notfall sofort ein Arzt da ist und ein OP bereit steht. Zudem brauchen viele Eltern auch die Sicherheit einer Kinderklinik auf dem gleichen Gelände. So dass im Falle von Anpassungsschwierigkeiten beim Baby nach der Geburt, sofort ein Kinderarzt vor Ort ist und das Baby entsprechend versorgt werden kann.

Eine Entbindung im Geburtshaus ist eine außerklinische Entbindung ohne Arzt. Der Vorteil daran ist, dass man nicht wie im Krankenhaus konstant von einer Vielzahl von medizinischen Geräten überwacht wird. Diese engmaschige Kontrolle führt nämlich oft dazu, dass eine Art Bedrohung in den Geburtsprozess rein interpretiert wird. Im Geburtshaus wird die Geburt jedoch als etwas ganz Natürliches und Normales betrachtet. Es werden nur die wirklich nötigen Untersuchungen gemacht. Dies bedeutet u.a. dass kein Dauer-CTG geschrieben wird, sondern die Herztöne werden sporadisch abgehört. Es wird viel mehr auf Natürlichkeit und die Bedürfnisse der Frau geachtet. Außerdem herrscht im Geburtshaus eine viel gemütlichere und entspanntere Atmosphäre als im Krankenhaus.

Im Geburtshaus arbeiten Hebammen normalerweise im Team. Der große Vorteil daran ist, dass es auch einen Schichtwechsel geben kann, wenn die Geburt länger als 12 Stunden dauert (welches beim 1. Kind oft der Fall ist). So kann eine Hebamme übernehmen, die ausgeschlafen und ausgeruht ist. Und die Frauen haben normalerweise alle Hebammen aus dem Team vorher kennengelernt, so dass hoffentlich vorher eine gewisse Vertrautheit mit allen möglichen Hebammen besteht.

Der Nachteil bei einer Geburt im Geburtshaus ist für mich, dass man nach der Geburt nach Hause fahren muss (natürlich erst nach ein paar Stunden). Man kann sich also nicht nach der anstrengenden Geburt einfach ins Bett legen und dort für 1-2 Tage bleiben.

Bei einer Hausgeburt hat man sehr ähnliche Bedingungen wie bei einer Geburt im Geburtshaus. Die Hebamme kommt jedoch zu dir nach Hause. Der klare Vorteil: Wenn die Geburt geschafft ist, kann man einfach in sein eigenes Bett gehen und muss keinen Ortswechsel mehr machen. Außerdem ist man in seiner vertrauten Umgebung.

Ein weiterer bedeutender Vorteil bei Geburten im Geburtshaus und zu Hause ist, dass man eine eins-zu-eins-Betreuung durch die Hebamme hat. Die Hebamme kann also die ganze Zeit optimal auf die Bedürfnisse der Frau eingehen und es gibt keine störenden Faktoren von außen. Alles kann genau so gemacht werden, wie die Frau es sich wünscht, bzw. es ist zu hoffen, dass es so klappt.

Man sollte jedoch wissen, dass eine Hausgeburt und Geburtshausgeburt nur in Frage kommen, wenn während der Schwangerschaft alles in Ordnung war, es keine Auffälligkeiten gab und vor allem die Frau und das Kind gesund und nicht irgendwelche Komplikationen zu erwarten sind. Falls eines dieser Kriterien nicht erfüllt ist, dann ist solch eine außerklinische Geburt selbstverständlich nicht möglich. Denn wenn zu erwarten ist, dass ein Eingreifen aus medizinischer Sicht notwendig ist, ist die sicherste Option eine Klinikgeburt um kein unnötiges Risiko einzugehen.

Wie werden Hebammen bezahlt?

Hebammen im Krankenhaus sind in den meisten Fällen angestellt und bekommen ganz normal ein Gehalt von ihrem Arbeitgeber (also von der Klinik) und sind auch über diese Klinik versichert. Freiberuflich arbeitende Hebammen sind selbständig (im ganz klassischen Sinne) und müssen mit den Krankenkassen individuell abrechnen. Dies bedeutet sie schreiben Rechnungen und schicken diese an die Krankenkassen, welche dann wiederum für die (medizinische) Leistung aufkommen. Die Versicherung (die sehr hoch ist) muss jedoch bei freiberuflichen Hebammen selbst übernommen werden.

Wenn ich nun weiß, dass ich schwanger bin, wie komme ich an eine nette Hebamme und wann muss ich mich darum kümmern? Wie gehe ich da vor?

Sobald man weiß, dass man schwanger ist, sollte man sich als Schwangere um eine Hebamme kümmern. Heutzutage reicht es leider nicht mehr aus, die 12 oder 14 Wochen abzuwarten um zu gucken, ob die Schwangerschaft auch wirklich hält. Denn Hebammen sind mittlerweile so knapp, dass man sonst Gefahr läuft keine Hebamme mehr für Vor- und Nachsorge zu bekommen. Leider gibt es nämlich immer weniger Hebammen in der Freiberuflichkeit und für Beleggeburten, da die Haftpflichtversicherung für Hebammen immer teurer wird und es sich viele einfach nicht mehr leisten können.

Am besten hört man sich im Bekannten- und Freundeskreis um und geht nach Empfehlungen. Dann sollte man diese Hebamme/n sofort kontaktieren. Wenn man jedoch keine Möglichkeit hat über Empfehlung jemand zu finden, dann würde ich googeln und schauen wer in der Umgebung als Hebamme tätig ist. Dies ist mittlerweile relativ einfach raus zu finden. Im Internet findet man auch das Hebammen-Netzwerk und die dazugehörige Hotline. Dort werden auch Kolleginnen gemeldet, die kurzfristig noch Kapazitäten haben. Darüber hinaus kann man auch bei seinem Gynäkologen direkt nachfragen. Dort gibt es oft Hebammenverzeichnisse und teilweise arbeiten Frauenarztpraxen auch direkt mit Hebammen zusammen.

Am Schönsten ist natürlich die erste Variante, bei der man seine Hebamme über Empfehlungen gefunden hat. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit auch höher, dass diese tatsächlich gut und nett ist. Man trifft sich dann mit der Hebamme zu einem Vorgespräch und sollte schauen, dass die „Chemie stimmt“. Natürlich kann es sein, dass man nach dem Gespräch merkt, dass es einfach nicht passt (was weder der Fehler der Hebamme noch der Schwangeren ist). Dann sollte man sich jedoch schnellstmöglich um eine Alternative kümmern.

Was findest du besonders schön an deinem Job?

Das Schönste für mich ist nach wie vor das Wunder der Geburt. Und auch die Schwangerschaft an sich und die Entstehung des Lebens empfinde ich als Wunder. Es ist immer wieder ein ganz, ganz besonderer Moment und jede Geburt ist anders. Das bedeutet man hat nie den gleichen Verlauf und das ist natürlich auch immer wieder eine Herausforderung. Man muss sich immer auf neue Menschen einstellen und lernt dadurch auch verschiedene Charaktere kennen. Die immer unterschiedlichen Verläufe machen es immer wieder spannend.

Auch finde ich besonders schön zu sehen, wie eine Familie entsteht. Es ist toll das Paar zu begleiten, wenn sie ihr erstes Kind bekommen oder wenn eine Familie sich erweitert. Und die Frau dabei zu unterstützen über sich selbst in der Situation der Geburt hinaus zu wachsen und das Kind zu gebären. Das ist eine ganz besondere Erfahrung.

Zudem gefällt mir die Selbständigkeit mit der ich arbeiten kann. Natürlich gibt es Regeln, aber da jede Frau und jeder Geburtsverlauf anders ist, kann ich immer wieder versuchen den Frauen verschiedene Wege aufzuweisen, wenn sie Hilfe brauchen. Gemeinsam kann man einen individuellen Plan erstellen. Und einfach die Herausforderung diese bestimmte Situation zu meistern und zu regeln fordert mich immer wieder aufs Neue (auf gute Art und Weise) heraus.

Was gefällt dir nicht so?

In Deutschland ist es leider so, dass die Geburt immer mehr als krankhafter Prozess gesehen wird und die Schwangerschaft viel zu sehr medizinisch kontrolliert und überwacht wird. Es werden zu viele Untersuchungen gemacht, wodurch die Frauen ihre Schwangerschaften oft als sehr stressig empfinden. Denn so kommen sie oft in Situationen, in denen sie Angst haben, dass etwas nicht stimmt. Am Ende stellt sich aber meist heraus, dass alles in Ordnung ist. Das liegt daran, dass zu viele Untersuchungen gemacht werden, die fehlerhaft oder ungenau sind. Denn die Technik ist teilweise einfach noch nicht weit genug, um eine Sicherheit zu garantieren. Es wird aber trotzdem alles angewandt.

Zudem gefällt mir nicht nicht, dass Schwangerschaft und Geburt immer mehr ärztlich dominiert sind. Ärzte sind dafür da um Krankheiten zu heilen, was leider zur Folge hat, dass Schwangerschaft und Geburt auch aus dieser Sicht betrachtet werden. Es wird sehr häufig nach einem Fehler in der ganzen Sache gesucht, wodurch die Schwangerschaft von der Frau als weniger entspannt empfunden wird, obwohl es überhaupt keine Notwendigkeit dafür gibt. Die Schwangerschaft wird nicht mehr als natürlicher Prozess betrachtet, sondern als krankhafter Prozess und pathologisiert (so sagt man im Fachjargon) und man glaubt je mehr Untersuchungen man hat, desto sicherer und angenehmer verläuft die Schwangerschaft und genau das Gegenteil ist der Fall.

Leider ist es auch so, dass man immer mehr Frauen den Glauben gibt, ein Kaiserschnitt wäre die bessere Wahl, weil er planbar ist. Dieser wird oft verharmlost und so dargestellt, als ob es eine ganz leichte Sache ist und keine gefährliche Operation für Mutter und Kind.

Sehr bedenklich finde ich auch, dass durch die stetig steigende Haftpflichtversicherung immer weniger Hebammen freiberuflich arbeiten können. So wird uns die Selbständigkeit und die Eigenverantwortlichkeit, mit der wir arbeiten, immer mehr entzogen. Und die unheimliche Verantwortung, die selbstständige Hebammen tragen, wird nicht annähernd angemessen kompensiert.

Aber auch angestellte Hebammen werden schlecht bezahlt. Wir arbeiten im Schichtdienst und oft 8 Stunden am Stück ohne zu essen oder zu trinken oder anderen menschlichen Bedürfnissen nachzugehen. Das ist einfach nicht fair. Leider ist dies aber insgesamt ein großes Problem im Gesundheitswesen – Altenpfleger, Krankenschwestern usw. haben unter sehr ähnlichen Bedingungen zu leiden.

Was ist besonders an der Hebammenbetreuung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern?

Besonders an der Hebammenbetreuung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern ist zunächst einmal, dass es hier noch Hebammen gibt. In sehr vielen Ländern in Europa gibt es (leider) überhaupt keine klassischen Hebammen mehr und der Arzt übernimmt komplett die Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe.

Dann ist auch besonders, dass wir hier noch eine Wochenbettbetreuung haben (wie bereits beschrieben), wo die Hebamme nach der Geburt für mehrere Wochen regelmäßig zu einem nach Hause kommt. Die Frau muss also nicht den Weg zum Arzt oder sonst irgendwo für eine Betreuung auf sich nehmen. Das ist natürlich ein sehr großes Plus. Wir dürfen es einfach nicht soweit kommen lassen, dass. es das nicht mehr in Deutschland geben wird. Das wäre wirklich eine Katastrophe.

Auch besonders an der Hebammenbetreuung hier ist, dass zu jeder Geburt eine Hebamme hinzugezogen werden muss. Und dass wir noch recht selbständig in der Klinik arbeiten können und nicht lediglich dem Arzt assistieren.

Wo wir uns noch eine Scheibe von abschneiden könnten, ist das schwedische System. Dort ist die Hebamme komplett für Schwangerschaft, Geburt und Nachsorge zuständig. Eine Schwangere sieht einen Arzt tatsächlich nur, wenn sie etwas Krankhaftes hat. Ansonsten macht die Hebamme alles – auch Ultraschalluntersuchungen. Sie ist komplett zuständig für Familienplanung, verschreibt die Pille und macht auch die Geburten, wo kein Arzt hinzugezogen wird. Es sei denn, es ist nötig, weil medizinisch etwas im Argen liegt. Dadurch ist auch die Kaiserschnittrate in Schweden deutlich geringer. Die Schwangerschaft verläuft so einfach viel entspannter, weil es deutlich weniger Untersuchungen gibt und sie als natürlicher und nicht als krankhafter Prozess angesehen wird.

Was würdest du dir in der Zukunft für die Hebammen und Schwangeren in Deutschland wünschen?

Ich wünsche mir sehr, dass wir wieder mehr zur Natürlichkeit zurückfinden, die es in einigen Bereichen ja auch noch gibt. So haben wir mit Hausgeburten das eine Extrem, aber diese sind sehr gering mit nur 3%, was in Zukunft durch den Mangel an Hausgeburtshebammen noch weniger werden wird. Ich wünsche mir zudem, dass es weniger Untersuchungen in der Schwangerschaft gibt. Und mehr Wert auf die psychologische Betreuung der Frauen gelegt wird. Dass viel mehr über Geburt und Schwangerschaft und über die Natürlichkeit dieses Prozesses gesprochen wird. Denn dies würde auch dazu führen, dass die Angst vor Schwangerschaft und Geburt verringert werden würde. Frauen würden sich nicht mehr die meiste Zeit sorgen, dass es dem Kind nicht gut geht.

Ganz besonders hoffe ich, dass Frauen zukünftig wieder mehr auf ihr eigenes Körpergefühl vertrauen und in sich hinein hören. Denn eigentlich wissen sie selber am besten, ob es ihrem Baby gut geht. Denn der Mutterinstinkt ist da und wichtig. Nur mit der Zeit haben wir uns immer mehr verunsichern lassen und brauchen jemand außenstehenden (in dem Fall der Arzt), der uns bestätigt, dass alles in Ordnung ist. Ich wünsche mir, dass sich das wieder ändert!

Und zu guter Letzt: Welchen Rat würdest du jeder Schwangeren geben?

Ich rate jeder Schwangeren auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen und nichts zu machen, wovon sie nicht überzeugt ist. Und auch alles zu hinterfragen, was ihr in Schwangerschaft und Geburt unklar ist. Das heißt sobald man irgendwie das Gefühl hat, warum wird das gemacht oder was steckt dahinter, nachzufragen und sich nicht einfach von außen (weder von Arzt noch Hebamme) einfach blind leiten zu lassen. Es geht nicht darum, dass man schwanger ist und dann die Anweisungen ausführt, die einem mitgeteilt werden. Sondern man sollte nur das machen, was man selbst für richtig hält. Hebammen und Ärzte sind dazu da einen zu unterstützen.

Man sollte sich nur mit Leuten und Profis umgeben, denen man vertraut. Und von denen man weiß, dass sie die eigenen Wünsche und Vorstellungen vertreten. Denn besonders während der Geburt, einem Zustand in dem man teilweise nicht mehr in der Lage ist, seine Wünsche klar zu formulieren, oder die Situation zu überblicken und Entscheidungen zu treffen, brauchen wir unbedingt Menschen, die einem nicht irgendetwas aufdrücken, sondern unsere Vorstellungen und Wünsche vertreten.

Es ist sehr wichtig (während Schwangerschaft und Geburt), dass wenn man sich nicht verstanden, bedrängt, schlecht behandelt oder sogar bedroht fühlt, dies ganz klar auszusprechen. Und dann auch die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Ansonsten würde ich den Frauen raten ihre Schwangerschaft so gut es geht zu genießen. Auf ihr eigenes Gefühl zu vertrauen und auf gar keinen Fall alles zu googeln und irgendwelche Foren im Internet zu besuchen. Stattdessen sollte man sich lieber sorgfältig ein Buch zu Schwangerschaft und Geburt raus suchen. Nicht irgend eins, sondern einen Ratgeber der medizinisch korrekt ist. Dies aber auch nur, wenn man selber das Bedürfnis verspürt sich etwas zu belesen.

Viele verschiedene Quellen zu nutzen, die eher undurchsichtig sind, führt nämlich oft zu mehr Verwirrung. Und meist ist es so, je mehr Informationen man hat desto unsicherer wird man. Auch sollte man nicht auf all die Horrorgeschichten aus dem Bekannten- oder Freundeskreis hören. Denn diese werden oft dramatisiert und aufgebauscht. Und die schönen Erlebnisse werden leider als gut abgehakt und treten in den Hintergrund.

Vielen Dank liebe Johanna für dieses ausführliche Interview!

Ich hoffe es hilft einigen Neu-Schwangeren dabei sich zu orientieren, welche Optionen es gibt und natürlich auch bei der Organisation der Schwangerschaftsbetreuung am Anfang. Aber vor allem hoffe ich, dass alle Schwangeren diesen „Service“ oder auch Luxus, den wir in Deutschland haben, in Anspruch nehmen!

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